Alles was blieb ...Das wars

Auf der Brücke in der großen Stadt stand der alte Mann mit schneeweißen Haaren, zerknittertem Gesicht, dünnen weißen Lippen und leerem starrem Blick. Sein Blick ging in den Fluß hinunter und doch sah er nicht die tosenden Wasser.

Er stand dort am Montag vor Weihnachten, als ich vorbeikam. Er stand dort am Dienstag, am Mittwoch und am Donnerstag, und ich bin mir heute sicher, er hat sich in der ganzen Zeit nicht von der Stelle bewegt!

Am Donnerstag, ich war auf meinem Weg gerade an dem Alten vorbeigekommen, hörte ich hinter mir einen dumpfen Aufschlag. Ich drehte mich um und sah den alten Mann am Boden liegen.
Ich ging zurück, sein Blick traf meinen, er hatte seine linke Hand zur Faust geballt, streckte sie mir entgegen und flüsterte mit ersterbender Stimme: "Alles, alles, das ist alles, was mir blieb...". Er kippte um und blieb liegen, seine Hand öffnete sich - sie war leer.
Schnell ging ich weiter, irgendwie war es mir ja auch peinlich, schließlich war er doch nur ein fremder, alter Mann.
Später habe ich dann in der Zeitung gelesen, daß der Alte an diesem Donnerstag vor Heiligabend mitten auf der Straße gestorben ist, es konnten keine Angehörigen gefunden werden...

Das wars - ©1988